„Die letzten Jahre waren sehr kräftezehrend“

Unter der Regie von Sebastian Staudacher gelang den Handballern der MTG Wangen nach elf Jahren im Mai der Aufstieg in die Regionalliga (ehemals Baden- Württemberg-Oberliga). Nun will er als Trainer pausieren.

WANGEN – Ein Leben ohne Handball gab es für den 34-jährigen Sebastian Staudacher bisher nicht. Von klein an ist er durch das große Engagement seiner Eltern Andrea und Josef Staudacher bei der MTG Wangen zu Hause. Als vierjährigen schickten die Eltern ihn bereits ins Training. Mit 17 stieg er von der A-Jugend in die erste Mannschaft auf. Zwei Aufstiege (2008 und 2013) in die vierte Liga erlebte er auf dem Feld.Ganz der MTG-Tradition entsprechend trainierte er mehrere Jugendmannschaften und stieg schnell 2019 vom Co-Trainer zum Haed Coach der ersten Herrenmannschaft auf. Mit dem Durchmarsch aus der Verbandsliga (2023) über die Württembergliga in die Regionalliga diesen Mai hinterlässt er seinem Nachfolger Tobias Müller große Fußspuren. Nach fünf Jahren legt er jetzt am Höhepunkt des Erfolgs das Amt nieder, um mehr Zeit für seine Familie zu haben.

Wie schwer fiel der Entschluss, Mitten in der erfolgreichen Württembergliga-Saison die Entscheidung zu treffen, aufzuhören? 

Tatsächlich fiel mir das nicht so schwer, aber natürlich schwingt auch ein bisschen Wehmut mit. Mir war bewusst, dass ich den Aufwand, der dahinter steckt und nicht so sichtbar ist, nicht mehr betreiben möchte und mich auf meine Familie konzentrieren will. Meine Frau hat mich immer unterstützt und stand jederzeit hinter mir, dafür bin ich sehr dankbar. Jetzt mit Kind, kann ich den Zeitaufwand nicht mehr so leisten. Ich wollte, wenn ich es mache, richtig machen, das habe ich Timo Feistle (Sportlicher Leiter der Männer bei der MTG Wangen, Anm. d. Red.) auch so gesagt. Ich hatte eine richtig tolle Zeit mit den Jungs und viel Spaß. Aber es ist auch ein guter Cut für alle, es wird  jetzt in der vierten Liga nochmal eine ganz andere Herausforderung sein. Da sind neue Ansätze und ein anderes Denken notwendig. Für uns war das Ziel in den letzten Jahren immer nur oben mitzuspielen, das wird sich nun sicherlich ändern und da tut neuer Input und eine neue Herangehensweise gut. Ich hänge schon an den Jungs, aber ich verliere sie ja nicht und sehe sie immer wieder. Es überwiegt schon die Vorfreude auf das, was jetzt kommt.

Wie war Ihre Reaktion als der Aufstieg nach den knappen Relegationsspielen gegen TuS Steißlingen geschafft war?

Das war sehr emotional. Ich habe nicht nur die eine oder andere Träne verdrückt. Ich habe es Revue passieren lassen und da hat es mich schon ordentlich erwischt. Ich habe schon einen Moment gebraucht, um das alles zu verarbeiten und zu verkraften. Es war natürlich auch unglaublich schön, die Gesichter zu sehen. Das war schon eine verrückte Reise. Besonders in diesem Jahr. Da ist immer noch etwas Unglaube bei mir, dass wir mit einem Gleichstand aufgestiegen sind. Enger geht es nicht und das werden wir alle in dieser Form so schnell nicht wieder erleben.

Das ist jetzt fast vier Wochen her. Hat sich daran etwas verändert?

Es ist immer noch überwältigend für mich. Ich muss immer wieder lachen, weil alles was passiert ist sehr verrückt ist. Das ist auch für die MTG Wangen nicht selbstverständlich, dass wir als Mannschaft, die fast nur aus Eigengewächsen besteht, es in dieser Art und Weise geschafft hat. Das beeindruckt mich immer noch. Wahrscheinlich brauche ich noch eine Weile, bis ich das alles realisiere. Vielleicht sogar bis zum ersten Spieltag in der vierten Liga.  Den Jungs geht es, glaube ich, ähnlich. Das ist einfach nur Sensationell.

Was war das Erfolgsrezept für den direkten Durchmarsch durch die Württembergliga in die Regionalliga?

Die Geschlossenheit der Mannschaft. Ich bin schon fasziniert, wie sie sich zusammengerauft haben. Nach einer schweren Saison in der Verbandsliga habe ich als Trainer einiges geändert und das hat mich näher an die Mannschaft gebracht. Ich hatte zu viel Vorgaben bezüglich Trainingseinheiten und Rückmeldungen gemacht. Das war mehr als sie leisten wollten und konnten. Das haben wir aus der Welt geschafft und angefangen, uns mehr zu vertrauen. Das war extrem wichtig für mich und die Jungs. Auf dem Feld hat mich am meisten beeindruckt, wie sie mit dem Druck umgegangen sind. Sie waren immer positiv und haben sich nicht beeinflussen lassen. Das hat sich in diesem Jahr noch weiter entwickelt. Sie sind als Mannschaft über sich hinausgewachsen. Das ist beeindruckend und nicht normal für die Altersstruktur.

Wie läuft die Übergabe an Nachfolger Tobias Müller ab?

Tobis Müller hatte viel Kontakt mit Timo Feistle, weil er immer nah dran war. Wir hatten nicht so viel Kontakt, aber er kennt die Jungs und war oft in der Halle und hat die Spiele gesehen, deshalb ist eine große Übergabe gar nicht notwendig.

Werden Sie beratend tätig sein?

Nein, da bin ich tatsächlich raus. Operativ werde ich nichts machen. Ich werde die Zeit mit meiner Familie nutzen.

Gleich drei Leistungsträger mit Tim Geyer, Nils Hindelangund Felix Mendler fallen in der nächsten Saison weg. Wie groß ist die Aufgabe für den neuen Trainer Tobias Müller, unter diesen Bedingungen in der Regionalliga zu bestehen?

Es ist eine große Aufgabe. Die Liga ist sehr stark. Ich glaube aber, selbst wenn die drei noch da wären, wäre es genauso eine große Aufgabe. Er wird einen guten Job machen. Er hat viel Erfahrung und kann mit jungen Leuten arbeiten. Ich bin absolut davon überzeugt, dass er das Maximale rausholen wird. Was es am Ende sein wird, werden wir sehen. Es wird sicher in der nächsten Saison mehr Niederlagen geben, als diese oder letzte Saison. Es wird wichtig sein, dass sie den Fokus finden und die Ergebnisse, die nicht immer positiv sein werden, richtig einordnen. Dafür wird Tobi sorgen und viele von den Spielern haben jetzt auch noch eine Saison mehr Erfahrung im aktiven Bereich, das wird sicherlich auch helfen. Sie werden alles dafür geben, die Liga zu halten. Die Qualität ist da. Sie haben definitiv eine realistische Chance in der Liga zu bleiben.

Wie groß war der Schritt 2019, das Traineramt der 1. Mannschaft zu übernehmen?

Der Schritt war schon groß, nach meiner Zeit als Jugendtrainer, mit Leuten zu arbeiten, die fast im gleichen Alter sind. Es war eine andere Kommunikation. Das war tatsächlich keine einfache Zeit, da das so auch nicht geplant war und ich eigentlich kürzertreten wollte und erst mal als Co-Trainer vorgesehen war. Ich wurde dann von Matthias Vetter (damaliger Abteilungsleiter) einfach ins kalte Wasser geworfen. Im Nachhinein eine unglaublich gute Entscheidung von Matthias (Staudacher lacht) auch wenn wir 2019 in die Verbandsliga abgestiegen sind. Das war schon erst mal hart für mich und hat mich lange beschäftigt. Wir waren punktgleich mit Albstadt und konnten uns so in der Liga nicht mehr halten. Ich habe daraus meine Schlüsse gezogen und das hat mich auch als Mensch weiter gebracht. Den Abstieg musste ich als junger Trainer erst mal verarbeiten und verkraften. Es war eine lehrreiche Zeit.

Welche Höhepunkte gab es in deiner aktiven Zeit als Spieler?

Mein erstes Spiel in der ersten Mannschaft war etwas ganz Besonderes für mich damals, da das für jeden Jugendspieler bei der MTG das Ziel ist. Vor solch einem einmaligen Publikum in einer voll besetzen Argenhalle zu spielen ist schon etwas, was man nie vergessen wird. Ich war noch A-Jugend Spieler, als mich Reinhard Geyer (damaliger Trainer der 1. Herrenmannschaft, Anm. d. Red.) in die 1. Mannschaft geholt hat. Das werde ich nie vergessen und dafür bin ich Reini auch nach wie vor sehr dankbar, da es damals auf Grund der Kaderstruktur nicht so einfach war, einen Platz im Kader der 1. Mannschaft zu bekommen. Aber vor allem auch der zweite Aufstieg in die vierte Liga, als wir es 2013 gegen Waiblingen klar gemacht haben, nach dem wir mehrmals in der Relegation gescheitert sind. Das war vom Stellenwert schon nochmal einen Tick höher anzusehen, da ich dort auch einen großen Anteil und mehr Spielzeit hatte als beim ersten Aufstieg in die 4. Liga. Alles in allem nochmal ein bisschen besonderer für mich.

Wird man Sie in Zukunft in der Hölle Süd bei Heimspielen antreffen oder lieber nicht?

Ich glaube schon. Warum auch nicht. Ich war bisher tatsächlich die letzten 15, 16 Jahre nie auf der Tribüne, außer wenn ich verletzt war. Das wird schon erst mal ein komisches Gefühl für mich sein. Bin selbst gespannt, wie ich darauf reagieren werde.

Wie lange wollen Sie pausieren?

Ich habe mir kein Ziel gesetzt. Auf jeden Fall mindestens für ein Jahr, um die Akkus wieder aufzuladen, alles Revue passieren zu lassen, was in den letzten Jahren passiert ist und die Zeit mit meiner großartigen Familie genießen. Die letzten Jahre waren schon sehr kräftezehrend. Ich werde sicherlich irgendwann wieder einsteigen, aber momentan gibt es keine Pläne. Ich sehe mich dann aber eher wieder in der Halle bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, da ich das, denke ich, ganz gut kann und ich etwas an die nächste Generation weitergeben möchte. Außerdem möchte ich auch dieser großartigen Abteilung etwas zurückgeben, für die unvergessliche Zeit, die ich über die letzten 30 Jahre erleben durfte. Das Ehrenamt ist mir eine Herzensangelegenheit und ohne das Engagement aller Ehrenamtler, wäre auch dieser ganz große Wurf der 1. Mannschaft nicht möglich gewesen.

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